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Wohlfühlen allein

reicht nicht.

Ich weiß auch nicht. Ich lese eine ganze Menge und bei manchen Artikeln habe ich den Eindruck, dass die Führungskraft von heute nur noch ein gut moderierender Clown sein muss, der in erster Linie dafür verantwortlich ist, dass sich alle Menschen wohlfühlen. Damit wir uns nicht gleich zu Anfang völlig missverstehen: Ich halte es für überaus wichtig, dass sich Menschen in ihrer beruflichen Situation und vor allem im Unternehmen wohlfühlen. Aber Wohlfühlen alleine reicht nicht.

Eine Ansammlung von Menschen, die sich wohlfühlen, macht noch kein Unternehmen. Es braucht nun einmal solche Dinge wie ein gemeinsames Ziel, ein Produkt oder eine Dienstleistung. Es braucht einen ökonomischen Kontext, denn das Unternehmen wird nicht lange überleben, wenn es ein Produkt herstellt, dass niemand haben möchte, oder eine Dienstleistung erbringt, die niemand braucht.

Und es braucht noch etwas anderes, nämlich Führung.

Gute Führungskräfte

werden in Krisen gemacht.

Eine Führungskraft wird dazu gebraucht, um auf der Grundlage unzureichender Informationen, Entscheidungen zu treffen. Wenn man diesen Gedanken zu Ende denkt, kommt man automatisch zum Schluss, dass Führungskräfte vor allem in Krisensituationen gebraucht werden. Das sind Situationen, die einem alles abverlangen. Das sind Situationen, für die es im Zweifel noch keinen Erfahrungshintergrund gibt. Es gibt also keinen, den man fragen kann. Es gibt auch kein Google oder Wikipedia, wo man nachschlagen könnte, wie man gerade dieser konkreten Krise Herr wird.

Wohl eines der prominentesten Beispiele dürfte Helmut Schmidt sein. Im Februar 1962 gab es keinen Erfahrungshintergrund, auf den er hätte zurückgreifen können. Wie organisiert man Hilfe für eine Millionenstadt wie Hamburg, die von einer Jahrhundertflut fürchterlich getroffen wurde? Da ist es eher unlogisch, dass der damals jüngste Hamburger Senator innerhalb von Tagen zum Herrn der Flut (und Chef von 40.000 Rettern) wurde. Kompetenzen und Paragrafen bilden Standardsituation ab. Das war keine Standardsituation und um beides hat sich Schmidt nicht geschert. Wenn wir uns auf die Suche machen würden, dann würden wir eine Reihe solcher Beispiele finden.

Die Geschichte erinnert sich immer an Menschen, die sich in solchen Zeiten hervortun. Das passiert nicht, weil es gute Marketingleute sind (die sich in kürzester Zeit ein eigenes Helden-Image aufbauen), sondern weil diese Menschen in kurzer Zeit viele wichtige und richtige Entscheidung treffen und dabei vor allem eines sind: Glaubwürdig.

Verantwortung übernehmen

und eine Notlage meistern.

Stell Dir vor, Du siehst, dass am Straßenrand ein Mensch stürzt. Du hast keine Ahnung, was passiert ist. Ist er sturzbetrunken, ist er gerade in Ohnmacht gefallen oder hat er einen Herzinfarkt? So wie all die anderen Menschen, die das gerade beobachtet haben, weißt Du es nicht. Und jetzt kommt genau die Situation, in der Du entscheiden musst: Was wirst Du tun?

Wendest Du dich ab? Im Sinne von: „Irgendeiner wird sich schon kümmern.“ Bleibst Du erst mal stehen und schaust, was als Nächstes passiert? Oder gehst Du direkt in diese Situation hinein, übernimmst Verantwortung und versuchst, diesen Menschen aus einer Notlage zu befreien?

Vielleicht ist er nur gestolpert, vielleicht ist die Situation aber auch viel ernster, und Du musst versuchen, diesen Menschen zu reanimieren. Du weißt das nicht, aber Du triffst in diesem Augenblick die Entscheidung, ob Du für diese Situation eine Führungsverantwortung übernimmst oder nicht. Gerade einmal 15 % der Menschen sind bereit, in einer solchen Situation lebensrettende Maßnahmen, wie eine Herzdruckmassage oder Mund-zu-Mund-Beatmung, durchzuführen.

Du fragst dich gerade, was das Ganze mit Führung zu tun hat?

Echte Helden

machen nie Feierabend.

Ganz einfach. Wenn Du eine Führungskraft bist, legst Du diese Fähigkeit nicht einfach ab, sobald Du Feierabend machst und Dein Büro verlässt. Du wirst immer wieder feststellen, dass es in gewöhnlichen Alltagssituationen vorkommt, dass da Menschen sind, die Verantwortung übernehmen. Menschen, die sich nicht fragen: „Was bekomme ich dafür? Was nützt mir das? Wie hoch ist das Risiko?“ Diese Menschen tun einfach Dinge, von denen sie überzeugt sind, dass sie jetzt getan werden müssen.

Du brauchst ganz sicher kein Held zu sein, um ein guter Chef zu sein. Aber ganz sicher kommt der Tag, an dem Du in eine außergewöhnliche Situation gerätst. Das wird keine alltägliche Situation sein, wie die Diskussion über. das Investitionsbudget oder der Abschluss eines Arbeitsvertrags. Es wird eine Situation sein, die außerhalb Deiner normalen Entscheidungsfindung liegt. Da ist nichts, auf was Du zurückschauen kannst, weil es schon einmal passiert ist. Und Du kannst auch niemanden fragen.

Lass‘ Dir diese Gedanken durch den Kopf gehen. Und denk‘ daran: Führung ist kein gottgegebenes Talent, sondern das Ergebnis eines Lernprozesses. Und am Ende wirst Du der Held sein.

Dieser Text erschien zuerst im Podcast „Braucht Führung keine Helden mehr?“  Hier geht’s direkt zum Podcast 

 

 

 

 

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