von Dirk Braun
Führungskraft
auf Jobsuche
Ich war neulich auf stepstone.de (das ist kein Berg im mittleren Westen der USA, sondern ein Portal für Menschen, die auf Jobsuche sind). Auf diesem Portal findet man das, was man sonst früher am Wochenende in der Zeitung gefunden hat – Stellenanzeigen. Man kann dort Suchfunktionen hinterlegen, je nach Berufsbild oder Ort. Also ein Bäcker wird in München genauso fündig, wie eine IT-Fachkraft in Frankfurt.
Dieses und viele ähnliche Portale kann man natürlich auch nutzen, wenn man als Führungskraft auf Jobsuche ist.
Mich hat interessiert, welche Qualifikationen von einer Führungskraft eigentlich erwartet werden. Ich habe mir also gut zwei Stunden lang Stellenbeschreibungen (ungefähr 100 an der Zahl!) durchgelesen und dabei eine Strichliste geführt. Am Ende hatte ich eine gar nicht mal so lange Liste mit Begriffen und unterschiedlich vielen Strichen dahinter. Zugegeben – das Allensbach Institut oder Gallup hätten das sicher mit einer größeren empirischen Genauigkeit gemacht, aber die Ergebnisse hätten sich nicht wirklich dramatisch verändert. Mir ging es auch nur darum, einen echten Eindruck zu bekommen, was heute eigentlich von einer Führungskraft erwartet wird. Zumindest, wenn man die Stellenausschreibungen zu Rate zieht. Hier sind die Top 5:
Die Plätze 5 & 4:
Belastbarkeit und Motivation
Platz 5: Belastbarkeit und Konfliktfähigkeit
Punktgleichheit für Belastbarkeit und Konfliktfähigkeit. Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber ich habe nicht schlecht gestaunt. Ich habe 3x nachgezählt, ob ich mich mit den Strichen verzählt habe, aber NEIN – Belastbarkeit und Konfliktfähigkeit sind unter den Top 5 Fähigkeiten, die heute von einer Führungskraft erwartet werden. Ehrlicherweise habe ich mich gefragt, ob ich sowas überhaupt in eine Stellenbeschreibung schreiben würde. Aber Du glaubst nicht, wie oft die Fähigkeit zur Konfliktlösung bereits in der Stellenanforderung eine Rolle gespielt hat. Ich frage mich: Was sagt das über das Unternehmen aus? Wie geht es denn bei denen zu?
Wenn Du den Podcast „GUTE CHEFS“ regelmäßig hörst, dann weißt Du, dass ich Konflikte für etwas Konstruktives und Gutes halte. Darin steckt viel Potential für die Weiterentwicklung von Menschen und Organisationen. Gleichwohl fand ich das schon sehr überraschend, dass sich diese Anforderung gleich im ersten Kontakt zwischen Interessent und Unternehmen eröffnet hat.
Platz 4: Motivation
Hier habe ich zwei Dinge zusammengefasst: Einerseits die geforderte Eigenmotivation (das war die deutliche Mehrzahl) und andererseits die Fähigkeit zur Motivation der Mitarbeiter. Bemerkenswert fand ich, dass sich Führungskräfte grundsätzlich selbst zu motivieren haben. Klingt, als hätten Sie keinen Anspruch auf Motivation. Einer meiner früheren Chefs hat mir mal gesagt: „Herr Braun, ab einer bestimmten Stufe Ihrer Karriere verlieren Sie den Anspruch, geführt zu werden. Ersetzen Sie dann einfach das Wort Führung durch Steuerung.“ Also Führung im Sinne von Motivation. Mag für einen Geschäftsführer oder Unternehmer auch so sein. Der kann ja kaum den Anspruch haben, dass seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihn motivieren. Aber Führungskräfte einer mittleren Führungsebene?
Die Plätze 3 & 2:
Durchsetzungsvermögen und Kommunikationsfähigkeit
Platz 3: Durchsetzungsvermögen
Also die Fähigkeit, das, was man will (auch gegen Widerstände) durchzusetzen. Da isser – der taffe Manager, der eigenmotiviert und belastbar ist und seine Themen auch notfalls konfliktär durchsetzt. Ich habe gerade wieder so ein Bild, dass ich nicht aus dem Kopf kriege: Ich frage mich, wie muss eigentlich die Mannschaft, das Team die Belegschaft aussehen, die einen solchen Chef oder eine solche Chefin braucht? Kommen Dir da auch sofort Namen und Gesichter von Menschen, mit denen Du eigentlich lieber nicht zusammenarbeiten möchtest, in den Sinn? So Nörgler, Störenfriede, ewig Unzufriedene. Mag sein, dass die dann tatsächlich eine solche Führungsfigur brauchen. Aber mal ganz ehrlich – ist das die normale Teamkonstellation in einem Unternehmen? Ganz sicher nicht.
Platz 2: Kommunikationsfähigkeit
Natürlich verbringen Führungskräfte einen großen Teil des Tages mit Kommunikation. Ob in bilateralen Gesprächen mit Mitarbeitern oder Kunden, ob in Verhandlungen, Meetings oder Konferenzen. Bringen wir es auf den Punkt: Wer nicht gerne redet oder die Fähigkeit zum Zuhören verlernt hat, für den ist Führung definitiv nicht die richtige Aufgabe. Ich selbst halte es für eine der wichtigsten Fähigkeiten, komplexe und komplizierte Sachverhalte, Prozesse oder Produkte mit einfachen Worten zu erklären. Komplex und schwierig kann jeder. Aber etwas Kompliziertes so treffsicher und mit einfachen Worten auf den Punkt zu bringen, dass es möglichst viele Menschen verstehen, das ist für mich eine wirklich wichtige Kompetenz für jemanden, der andere Menschen führt. Führung ohne Kommunikation geht nicht.
So, jetzt wird es Zeit für den Trommelwirbel…
Platz 1:
Teamfähigkeit
Platz 1: Teamfähigkeit
Es gibt fast keine Stellenanzeige, in der Teamfähigkeit nicht explizit erwartet wird. Und da ich Führungskräfte auch in Bewerbungssituationen coache, kann ich berichten, dass es auch nahezu kein Anschreiben gibt, in der der Bewerber nicht erklären würde, er sei selbstverständlich teamfähig. Dabei gibt es gerade zu diesem Begriff der Teamfähigkeit so herrlich viele Missverständnisse. Zunächst mal wird Teamfähigkeit meistens synonym verwendet für Kollegialität und Gruppentauglichkeit. Wer also freundlich ist zu seinen Kolleginnen und Kollegen, bei Geburtstagen immer etwas in die Blumenkasse gibt und selbständig seine Kaffeetasse in die Spülmaschine räumt, der ist schon mal auf einem guten Weg. Wer noch dazu Streitigkeiten aus dem Weg geht, Konflikte mit Kollegen und vor allem mit dem eigenen Chef meidet, dem baumelt schon beinahe der imaginäre Teamorden von der Brust.
Nur ist das keine Teamarbeit, kein Teamwork und auch keine Teamfähigkeit, sich so zu verhalten.
Gerade bei einer Führungskraft, geht es bei Teamfähigkeit um etwas ganz anderes. Ob ein Team gut und performant miteinander arbeitet, geht schon bei der Besetzung los. Eine Führungskraft muss dafür sorgen, dass unterschiedliche Mitarbeiter mit unterschiedlichen Kompetenzen in dem Team vertreten sind. Stell‘ Dir vor, Du hast nur kreative, impulsive und initiative Menschen in Deinem Team. Das sind die Persönlichkeiten, die Dir in kürzester Zeit hunderte von Ideen liefern können. Leider fehlt einer, der diese Ideen strukturiert aufnimmt, priorisiert und auf Umsetzbarkeit prüft. Unterschiedliche Menschen bringen auch ganz unterschiedliche Fähigkeiten mit in die Teamarbeit. Der eine ist vielleicht der Ideenreiche, der andere achtet auf Details und Qualität, der nächste kümmert sich darum, dass das Team das Ziel nicht aus den Augen verliert.
War’s das schon,
oder kommt da noch was?
Das waren sie also, die fünf häufigsten Kompetenzerwartungen an Führungskräfte, die in Deutschland auf Jobsuche sind. Übrigens, zwei Dinge haben mir in den Stellenausschreibungen (zumindest sind sie ganz selten vorgekommen) gefehlt:
- Die Fähigkeit, andere Menschen zu begeistern und
- Die Fähigkeit, sein eigenes Handeln an den Wünschen und Bedürfnissen der Kunden zu orientieren
Stell‘ Dir mal vor, diese beiden Kriterien wären Einstellungsvoraussetzungen für Führungskräfte in der öffentlichen Verwaltung. Aber das ist ein anderes Thema und dem wird man mit einem Klischee ganz sicher nicht gerecht. Die Sache mit der Jobsuche reicht auch erst mal, oder?!
Dieser Text erschien zuerst im Podcast „GUTE CHEFS – Der Führungskräfte-Podcast“ Nr. 53 „Führungskraft gesucht (Teil 1)“ (Hier geht’s direkt zum Podcast) und Nr. 54 „Führungskraft gesucht (Teil 2)“ (Hier geht’s direkt zum Podcast)