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von Ahmet Iscitürk

Seit 30. Juni 2021 ist die Homeoffice-Pflicht aufgehoben, welche mit der Corona-Notbremse des Bundes eingeführt wurde. Viele Unternehmen möchten ihren Mitarbeitern weiterhin ermöglichen, in ihren heimischen vier Wänden zu arbeiten. Das Modell hat aber nicht nur Befürworter, deshalb werfen wir einen Blick auf die Vor- und Nachteile.  

Die wichtigste Informationen gleich vorweg:

Ob das Homeoffice nützt oder eher schadet, lässt sich keineswegs pauschal beurteilen.

Die Frage muss differenziert und von Fall zu Fall betrachtet werden. Selbstverständlich macht es absolut Sinn, das Corona-Infektionsrisiko so niedrig wie möglich zu halten, doch davon abgesehen präsentiert sich die Pro- und Contra-Liste relativ ausgeglichen.

Pro Homeoffice

die Vorteile
  • Kein nerviger Berufsverkehr: Der Weg zur und von der Arbeit entfällt, was wiederum viel Zeit spart und den täglichen Stresspegel reduziert.
  • Mehr Flexibilität und Autonomie: Man ist nicht so stark in fremden Strukturen und Routinen gefangen. Zudem lässt sich die Zeit im Homeoffice besser einteilen und man kann auch mal im Garten oder auf dem Balkon arbeiten. 
  • Mehr Fokus: Die störenden Faktoren zu Hause lassen sich leichter kontrollieren als die Störfaktoren im Büro (Stichwort: Geschwätzige Kollegen). 
  • Finanzielle Ersparnis: Mitarbeiter sparen sich Fahrt- und Verpflegungskosten, zudem winken Steuervergünstigungen. Der Arbeitgeber kann wiederum seine Büroflächen verkleinern und Mietaufwendungen reduzieren. 
  • Bessere Work-Life-Balance: Wer zu Hause arbeitet, tut sich leichter, Beruf und Privatleben unter einen Hut zu bringen. Vor allem berufstätige Eltern profitieren vom Homeoffice, da sie mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen können.  

Contra Homeoffice

die Nachteile
  • Gefahr der Prokrastination: Jeden Tag pünktlich aufzustehen und sich pflichtbewusst der Arbeit zu widmen, erfordert ein hohes Maß an Selbstdisziplin. Bei unbeaufsichtigten Mitarbeitern können Motivation und Arbeitsmoral nachlassen.  
  • Einsamkeit: Nicht nur für alleinstehende Menschen entpuppt sich die Arbeit im Homeoffice häufig als isolierende und einsame Erfahrung, die langfristig großen Schaden anrichtet. 
  • Der berüchtigte Lagerkoller: Menschen, die den Großteil ihrer Freizeit zu Hause verbringen, fällt irgendwann die Decke auf den Kopf, da sie nun 24/7 in ihrer Wohnung gefangen sind. 
  • Die Platzfrage: Wer konzentriert arbeiten möchte, benötigt ein ordentlich ausgestattetes Arbeitszimmer und nicht jedes Zuhause bietet die entsprechenden Voraussetzungen. 
  • Zusatzkosten für Arbeitgeber: Den Mitarbeitern müssen das Mobiliar und sonstige Arbeitsmittel (z. B. Computer und Bildschirm) zur Verfügung gestellt werden. 
  • Die soziale Komponente: Es ist schwer, ein gutes Verhältnis zu Kollegen und Kunden zu entwickeln, wenn man nicht von Angesicht zu Angesicht miteinander kommuniziert. 
  • Kein Ad-hoc-Lernen: Es ist deutlich umständlicher, neue Mitarbeiter einzugliedern und ihnen die Unternehmenskultur sowie Arbeitsabläufe zu vermitteln.  

 

Ob sich ein bestimmter Aspekt positiv oder negativ auswirkt,

ist von unterschiedlichsten Faktoren abhängig.

Ob sich ein bestimmter Aspekt positiv oder negativ auswirkt, ist von unterschiedlichsten Faktoren abhängig. Die Größe des Unternehmens spielt genauso eine Rolle wie die Persönlichkeit, Berufsgruppe und Wohnsituation. Im Einfamilienhaus mit Garten arbeitet es sich eben angenehmer als im beengten Einzimmerapartment. Kollegin A läuft in der Abgeschiedenheit ihres Zuhauses zur Höchstleistung auf, während Kollege B antriebslos dahinvegetiert. Also haben wir unterschiedliche Personen gebeten, ihre Homeoffice-Erfahrungen mit uns zu teilen.  

 

Steve, Disponent, 39 Jahre 

„Die ersten Tage im Homeoffice waren super, weil es sich nicht wie Arbeit, sondern wie ein bezahlter Urlaub anfühlte. Irgendwann fiel mir aber die Decke auf den Kopf. Zumal ich in meinem Beruf auch mit Leuten kommuniziere, die technisch unbedarft sind und jede Videokonferenz in eine Geduldsprobe verwandeln. Dazu kommt, dass meine Nachbarn zwei hyperaktive Kinder haben und ihre Eheprobleme gerne lautstark diskutieren. Ich bin überglücklich, dass wieder Normalität einkehrt.“ 

 

Claudia, Unternehmerin, 54 Jahre 

„Als IT-Dienstleister haben wir vor Corona viel Zeit bei unseren Kunden vor Ort verbracht. Ein Großteil unserer Mitarbeiter war ständig auf Achse, doch das änderte sich mit der Pandemie und den damit verbundenen Kontaktbeschränkungen. Homeoffice, Video-Konferenzen und Remote-Access fühlten sich anfangs wie ein fauler Kompromiss an, doch wir haben uns daran gewöhnt und die positiven Seiten schätzen gelernt. Beispielsweise läuft die Kommunikation viel strukturierter, weil man schneller auf den Punkt kommt, wenn man in eine Kamera spricht. Außerdem sparen wir nicht nur Zeit, sondern auch Reisekosten und deshalb können unsere Mitarbeiter weiter im Homeoffice arbeiten, wenn sie das möchten.“ 

 

Milenko, Senior Sales Manager, 46 Jahre 

„Nie mehr Homeoffice! Klingt vielleicht seltsam, aber selbst der tägliche Stau auf dem Weg zur Arbeit hat mir gefehlt. Am meisten habe ich aber meine Kollegen und die lebhafte Energie unseres Büros vermisst. Wir sind alle geimpft und können wieder ganz normal miteinander umgehen. Es fühlt sich ungewohnt und fast schon surreal an. Im Homeoffice konnte ich zwar mehr Zeit mit meinen Kids verbringen, aber die sind auch mega-glücklich darüber, nicht mehr in der Wohnung eingesperrt zu sein.“ 

 

Nina, Teamleiter Kundenservice, 29 Jahre 

„Dass Corona eine Katastrophe ist, steht völlig außer Frage, aber Homeoffice hat mein Leben komplett positiv verändert. Meine Leute arbeiten viel selbständiger, übernehmen Verantwortung und nerven mich nicht mehr wegen jeder Kleinigkeit. Ich arbeite schneller, bin aber gleichzeitig viel entspannter, seit ich nicht mehr im Großraumbüro sitze. Man ist deutlich flexibler und kann sich die Zeit perfekt einteilen. Leider nutzen manche Mitarbeiter diese neugewonnene Freiheit aus. Wenn jemand zwei Stunden benötigt, um eine simple Frage via Microsoft Teams zu beantworten, dann werde ich misstrauisch. Kurz: Wer im Homeoffice nur auf der faulen Haut liegt, sitzt schon bald wieder im Büro.“  

Von der Schwarz-Weiß-Denke

verabschieden.

Die meisten Befragten sind entweder für oder gegen die Arbeit im Homeoffice. Dabei können alle Seiten von einer gesunden Mischung aus Homeoffice und Büropräsenz profitieren. Gerade in der Startphase eines Projekts erweist sich die Anwesenheit aller Beteiligten als sinnvoll und auch den erfolgreichen Abschluss sollte man nicht allein vor der Webcam feiern. Statt in Entweder-oder-Kategorien zu denken, sollte man lieber analysieren, wann welches Arbeitsmodell den größtmöglichen Positiveffekt verspricht. 

Wie hast Du die Arbeit im Homeoffice wahrgenommen und wie wird das Ganze zukünftig in deinem Unternehmen geregelt? Wir freuen uns über jeden Kommentar! 

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